Während der Wanderschaft, gibt es viele Regeln zu beachten. Dies aus gutem Grund. Auf den ersten Blick scheinen viele davon als grosse Einschränkung des täglichen Lebens, im Grunde haben die meisten Regeln einen praktischen oder historischen Hintergrund. Im folgenden Beitrag versuche ich euch ein paar Grundregeln näher zu bringen

Grundsätze

Während der Wanderschaft (Tippelei) gibt es unzählige Regeln die zu beachten. Die beiden wichtigsten Regeln, die für absolut alle Gesellen/Gesellinnen gelten sind:

1.Die Reisezeit beträgt mindestens drei Jahre und einen Tag. bzw zwei Jahre und einen Tag.

2.Während dieser Zeit ist die Heimat in einem Umkreis von mindestens 50 bzw 60 Kilometern im Radius strikt zu meiden. (Bannmeile) Diese beiden Regeln sind historisch entstanden und sollen dafür sorgen, dass die Fremden in die Welt ziehen und nicht drei Jahre im Nachbardorf rumgammeln.

Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Wandergesellen sind in Gruppen (Schächten) organisiert. Die Regeln der einzelnen Schächte unterscheiden sich. Auch gibt es viele Regeln, welche nicht nach aussen kommuniziert werden dürfen. Daher kann es sein, das einige Regeln, die ich hier aufschreibe, für gewisse Gesellen nicht oder nur Teilweise gelten.

Losgehen

Du willst also ein Wandergeselle/eine Wandergesellin werden? Schon bevor du überhaupt mit wandern (tippeln) beginnen kannst, musst du folgende Voraussetzung erfüllen:
1.Du darfst keine Schulden haben (Weder finanziell noch Materiel)
2.Du musst unverheiratet und Kinderlos sein (Ungebunden)
3.Du darfst nicht vorbestraft sein.
4.Du solltest unter 27 Jahre alt sein.
5.Du musst einen anerkannten Lehrabschluss in einem traditionellen Handwerk haben.

Auf Wanderschaft

Wenn du also diese Voraussetzungen erfüllst, dir einen Schacht gesucht hast, in dem du dich wohl fühlst und einen Altgesellen gefunden hast, der dir alles zeigt, kannst du anfangen die Regeln zu pauken 😉 Hier ein kleiner Ausschnitt:

Die Kluft

Unsere Kleidung nennen wir die Kluft. Achtung! das ist keine Uniform! Die Kluft tragen wir jeden Tag, sei es beim Arbeiten, beim reisen, beim essen oder im Ausgang. Die Farbe der Kluft weist unseren Berufsstand aus. So sind Holzgewerke in der Regel Schwarz gekluftet, Schneider tragen Rot, Maurer Grau, Steinmetze beige, Gärtner grün usw. Zur Kluft gehören in jedem Fall ein schwarzer Hut und schwarze Schuhe. Von Gruppe zu Gruppe gibt es dann noch verschiedenen Symbole der Schachtzugehörigkeit die uns als Mitglied dieser oder jener Gruppe ausweisen.
Als einziger Schmuck ist uns Gesellen ein Ohrring und die Uhrenkette erlaubt. (Wir tragen keinen Reichtum nach aussen und bleiben bescheiden) Werbung an uns zu tragen ist ein Tabu, auch politische oder religiöse Symbole tragen wir, wenn überhaupt, nur unter unserer Kluft. Plastikknöpfe haben nichts an einer Kluft verloren, Perlmutt ist das Knopfmaterial der Wahl.

 

Unterwegs

Wandergesellen geben kein Geld aus fürs Reisen und fürs Übernachten. Auch wenn gerade goldenen Zeiten sind, denken wir an zukünftige Generationen die eventuell nicht so viel Glück haben wie wir. Da wir beim Reisen per Autostop und beim Übernachten auf dem Sofa auf Hilfe aus der Bevölkerung angewiesen sind (wir also immer wieder fremde Leute um Hilfe bitten müssen), bleibt die Tradition bekannt und die Hilfsbereitschaft bleibt bestehen. Wenn wir unterwegs sind, arbeiten wir für unseren Ruf. Dies hilft den Wandergesellen die nach uns losgehen. Eine schlechte Tat eines Gesellen, machen hundert gute Taten nicht mehr weg.

Geld

Geld zu haben ist schön, auf Wanderschaft ist es aber nicht unbedingt notwendig. Deine Wanderjahre sollten nur für dich da sein und nicht um als reicher Mensch nach Hause zu kommen. So besagt eine Regel: Am Anfang geht man mit fünf Euro/Franken los, und zurück kommt man auch nur mit fünf Franken/Euro. Im Grunde ist die Wanderschaft eine Zeit, in der man sich weiterbildet, wie dies geschieht, ist jedem selber überlassen. Es geht aber nicht darum, drei Jahre nur zu arbeiten. Diese fünf Euro Regel soll dir die Freiheit geben, dir für das Zeit zu nehmen, für was du sonst keine Zeit hast.

Die Ausnahme

Dies war jetzt ein kleiner Bruchteil der geltenden und sich ab und zu auch verändernden Regeln. Eine wichtige Regel ist allerdings auch, ab und zu “Vernunft vor Zunft” walten zu lassen. Sobald du an Leib und Leben gefährdet bist, stell die Regeln hinten an. Auch die diversen Trinkspiele müssen nicht bis zuletzt gespielt werden. Du darfst “Nein” sagen! Wer das nicht akzeptiert hat selber keine Ahnung von Wanderschaft.

Das Wichtige

Im gegensatz zur Compagnonnage ist es während der Wanderschaft ganz dir überlassen, was du wann tust. Ich empfehle dir aber, dich ab und zu etwas zu hinterfragen. Mir hilft dabei mein Tagebuch. Denn den Halt verliert man schnell, bei so grosser Freiheit…